Seit der Besatzung Afrins werden die Machthaber in Ankara, an deren Spitze Erdogan steht, nicht müde zu behaupten, die Infrastruktur, das Gesundheitswesen etc. wieder hergestellt zu haben. Unter dem Vorwand die nationale Sicherheit der Türkei zu gewährleisten, erklärt Erdogan, dass er weitere Gebiete im Nordosten Syriens militärisch besetzen will. Hiermit behauptet er, sollen Terrororganisationen bekämpft und die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gewährleisten werden. Für viele Menschenrechtsorganisationen und die öffentliche Meinung sind dies jedoch nichts weiteres als leere Behauptungen und Lügen.
In der Zeit vom 11 Juli 2018 bis zum 10 Januar 2019 führte die UNO Menschenrechtsorganisation Recherchen über die Lage in Afrin durch und am 31 Januar 2019 einen Bericht veröffentlich. In diesem Bericht werden willkürliche Verhaftungen, Diebstähle, Beschlagnahmungen, Gelderpressungen, Folter, die Ausbeutung der Olivenernten sowie die Belästigung von Frauen festgehalten. Jedoch vernachlässigt dieser Bericht eine Vielzahl von Geschehnissen. Nachfolgend werden hier einige Versäumnisse aufgelistet:
- Durch die völkerrechtswidrige Besatzung Afrins sind zweihunderttausend Kurden aus ihrer Heimat geflohen. Durch die türkischen Besatzer wurden in den Häusern der geflohenen Familien bewusst überwiegend arabische Flüchtlingsfamilien angesiedelt.
- Zeitgleich wurde mehr als Hunderttausend kurdischen Geflohenen die Rückkehr in ihre Dörfer und Häuser verwehrt. Sie leben unter schwierigsten Bedingungen – größtenteils ignoriert von der Weltöffentlichkeit – in Flüchtlingslagern zwischen Aleppo und Afrin. Hier sind sie zum einen von Assads Armee und zum anderen von radikal islamistischen Einheiten eingekesselt. Die Flucht nach Aleppo ist nicht möglich, da ihnen der Weg versperrt wird.
Das tatsächliche Ziel der türkischen Besatzung zeigt sich anhand dieser Geschehnisse. Erdogan strebt in der Region eine Änderung der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung an. Kurdische Familien wurden vertrieben. Arabische und turkmenische Familien werden angesiedelt. Trotz zahlreicher Beschwerden bei der von der Türkei installierten Militärverwaltung wird es kurdischen Bewohnern nicht erlaubt in Ihre Häuser zurückzukehren. Exemplarisch können hier folgende Dörfer genannt werden:
- Den Bewohner der Dörfer Basie, Gilbere, Kastel Jindo. Baflon, Sinka, Chekh Kohrs, Jabalia undDaerwisch) wurde die Rückkehr verwehrt.
Die Bekämpfung der kurdischen Kultur sowie das Aufzwingen einer fremden Kultur sind also ein erwünschtes Vorgehen seitens des türkischen Staates.
Ebenfalls wird in dem Bericht die wirtschaftliche Ausbeutung der Region Afrin zu Gunsten türkischer Interessen nur mangelhaft angesprochen. Das türkische Militär nimmt eine aktive Rolle bei der Ausbeutung der Olivenernte ein. Kurdische Bauern werden am freien Zugang zu den Märkten gehindert und können so ihre Ernteerträge nicht verkaufen. Zudem werden Ernten beschlagnahmt und in die Türkei transportiert. Hier werden die syrisch-kurdischen Oliven verarbeitet und als türkisches Exportgut nach Europa exportiert. Dieses Vorgehen hat der türkische Agrarminister in einer Parlamentssitzung bestätigt. Olivenernten sind hierbei leider nicht die Ausnahme, sondern eine generelle Ausbeute der Getreide-, Gemüse- und Obsternten ist festzuhalten.
Des Weiteren wird in dem UNO Bericht nicht dokumentiert, dass Angestellte der Selbstverwaltung, die vor der türkischen Besatzung die Region Afrin verwaltet hat, durch von der Türkei installierte Gerichte zu hohen Geldzahlungen verurteilt wurden.
Unklar ist zudem auch das Schicksal von bis zu tausend entführen bzw. verhafteten Kurden, die wahrscheinlich in geheimen Gefängnissen festgehalten werden. Trotz der Behauptung seitens der Türkei die Infrastruktur wiederhergestellt zu haben, ist eine Verschlechterung im Bereich des Schul- und Gesundheitswesens zu erkennen. Reportern und Menschenrechtsorganisationen ist der Zutritt zu der Region Afrin nicht möglich.
Die UNO Menschenrechtsorganisation zweifelt in ihrem Bericht an, ob die türkischen Besatzer in der Lage sind in Afrin für Gesetz und Ordnung einzutreten. Es ist verwundernd festzuhalte, weswegen das Nato-Mitglied Türkei nicht in der Lage ist ein paar tausend Söldner, ehemalige IS- und Al-Qaida-Kämpfer zu kontrollieren. Immer wieder kommt es zu kämpfen zwischen den verbündeten der Türkei. Wichtig zu erwähnen ist hierbei auch, dass die türkische Armee in der Region das gesamte Grenzgebiet kontrolliert und somit frei über Wegen zwischen der Türkei und Syrien verfügen kann. Zudem stehen alle bewaffneten Partner unter dem Kommando der Türkei und erhalten einen Lohn.
Die UNO Ist gefordert die Menschenrechtsvergehen der Türkei rechtmäßig zu verurteilen und den türkischen Staat zur Rechenschaft zu ziehen. Hierfür müssen Kommissionen und Beobachter nach Afrin entsandt werden, um neutrale Ermittlungen durchzuführen. Nach internationalem Recht ist die Türkei als Besatzungsmacht in Afrin zu betrachten. Sie ist verantwortlich für alle Verstöße, die in Afrin dokumentiert werden können. Nachdem nun auf den Bericht der UNO eingegangen wurden, werden nachfolgend weitere, dokumentierte Verstöße aufgelistet:
- Das Lebensmittelgeschäft von Herrn Abdo Ali wurde in Afrin geplündert.
- Bei der letzten Autoexplosion in dem Villen-Bezirk von Afrin haben die Bewohner des Ortes aus Angst fluchtartig ihre Häuser verlassen. Als sie zurückkamen, waren ihre Wohnungen geplündert und von einem Geschäftsmann wurden eine Million Lira erpresst.
- Der Physiotherapeut Adnan Bostan wurde von der Militärpolizei nochmal verhaftet, nachdem er bereits von bewaffneten Einheiten verhaftet und gefoltert wurde und nur gegen Zahlung einer großen Summe Geld Frei gelassen wurde.
- Einigen Familien in Afrin wurde gedroht, ihr Eigentum zu beschlagnahmen, wenn sie ablehnen ihre Töchter mit Söldner zu verheiraten.
- Der Rechtsanwalt Muhamed Bilal aus Afrin wurde entfuhrt sein Schicksal ist bis heute ungewiss.
- Der Mann Chekho Maamo ist seit dem 26.11.2018 ohne Gerichtsverhandlung in Haft.
- Die Oliven Plantagen im Dorf Antariye wurden von Unbekannten abgeholzt.
- Die Abholzung einer großen Zahl an Mandel- und Olivenbäumen im Dorf Hessiye (Mirkan) Maabatli kann dokumentiert werden.
- Wiederholte Verhaftungen ehemaliger Angestellte der Kurdischen Selbstverwaltung und Verurteilung zu einer Geldzahlung in Höhe von 400 000 Lire.
- Unter dem Vorwand Sprengstoff zu suchen, wurde das Haus von Herrn Farid Battal Hanan überfallen.
Angesicht dieser Tatsachen und der vorgefallenen Menschenrechtsverletzungen ruft die kurdische Bevölkerung Afrins die UNO, Human Rights Watch, Amnesty International und die Kommission zur Verfolgung von Kriegsverbrechen auf in Syrien neutrale Ermittlungen am Ort des Geschehens durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Afrin unter Besatzung 23.PDF